Zu den neuen SAMW-Richtlinien zu Sterben und Tod

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/42
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.17265
Bull Med Suisses. 2018;99(42):1451

Publié le 17.10.2018

Zu den neuen SAMW-Richtlinien zu Sterben und Tod

Die laufende Diskussion zum Einschluss der Beihilfe zum Suizid in die ärztliche Tätigkeit kann zwar als deren Erweiterung, nicht aber als Verpflichtung angesehen werden. Insofern bleibt dieser Tätigkeitsaspekt unverbindlich und irrelevant. Aus der Sicht meiner Art des Praktizierens ist die Beihilfe zum Suizid nicht mit dem Leben vereinbar. Suizid ist Homizid, und es ist mir keine Gesellschaft bekannt, die nicht Menschen mit homizider Tätigkeit durch das Leben getragen hätte. Zu den Tragenden gehören besonders die Frauen. ­Besonders Männer sind ignorant. Dieses implizite Paradox ist jedem zumindest unter­bewusst. Für Menschen mit spirituellem ­Hintergrund scheinen die Zusammenhänge offensichtlicher, deshalb wird es wohl auch kaum gelingen, dass alle einander verstehen können. Wie viel von meiner Lebenszeit ich zur Förderung des Lebens oder zur Verwirk­lichung des Todes verwende, steht in meiner freien Entscheidung, entsprechend dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten auf die Wahl seiner Art zu sterben. Spannend wird es dort, wo Gegensätze sich begegnen und man Lösungen braucht. Die Erfahrung zeigt mir: Das Leben macht erfinderisch, ist unentwegt kreativ und einfallsreich. Ich habe immer Lösungen gefunden, und zu den guten gehören die zahlreichen Fälle von passiver Sterbehilfe. Aus Erfahrung kann ich auch sagen, dass im Schatten des Todes die Lichter verlöschen. Der Intellekt verführt oft die Herzenskräfte und verfährt sich im materiellen Denken. Ich will nicht töten, nicht weil ich nicht könnte, sondern weil ich nicht will. Wer will, findet Wege, wer nicht will, findet Gründe. Auch dies erachte ich als freie Wahl. Nach einem Suizid die Überlebenden zu betreuen gehört zu meinen ärztlichen Lebensaufgaben. Mich aktiv in den Suizid zu ver­wickeln erachte ich weder als Teil meiner ärztlichen noch als meiner menschlichen ­Tätigkeit. Die Zukunft der Weltentwicklung wird nicht stattfinden durch Todesprozesse. Das geistreiche Entflechten von Konflikten bezieht die Inspirationen aus dem Leben.