Sinnsuche für Internet-Milliarden

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/40
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.17191
Bull Med Suisses. 2018;99(40):1365

Publié le 03.10.2018

Sinnsuche für Internet-Milliarden

Geschätzter Kollege Jean Martin,
Ich hoffe zutiefst, dass ich Ihren Beitrag zur «Revolution des Teilens» missverstanden habe. Nämlich, wenn ich ihn als Loblied auf die «private Philanthropie» der führenden Milliardäre wie Bill Gates oder Mark Zuckerberg verstehe. Die weltweite Vertiefung der Kluft zwischen Arm und Reich zeigt doch, ­banal gesagt: Wenn heute einer so viel Geld spenden kann, hat er es vorher einfach jemandem weggenommen [1]. Diese Milliarden kamen in diesem Ausmass ja nicht in erster ­Linie durch intelligente Start-up-Ideen und sozial engagierte Arbeit, sondern durch Teilnahme am manipulativen Welthandel, am Börsen- und Derivathandel zustande. Und die Marktmacht der rein technisch orientierten Internet-Monopolisten bedeutet doch wohl eher eine Warnung als eine Verheissung [2]. Vandana Shiva schrieb schon 2005: «Die freien Märkte der globalen Unternehmen ­haben auf allen Ebenen die Demokratie zerstört.». Bei eigenen Einsätzen vor allem in Zimbabwe konnte ich die Auswirkungen solcher Gewinn-Maximierungen an der Verarmung der Bevölkerung hautnah erleben.
Richtiggehend erschrocken bin ich ab der Idealisierung des utilitaristischen Ansatzes von Peter Singer mit dem Ziel, mittels «effizientem Altruismus … ein Maximum an sozialem Nutzen zu schaffen». Im Rahmen seines «Präferenz-Utilitarismus» erklärt Singer bekanntlich menschliches Leben, das nicht einem definierten «Person-Sein» entspricht, schlicht als ethisch irrelevant. Wesen, welche «nicht selbstbewusst und vernunftbegabt» sind, sind «somit keine Personen» und damit in der Nutzen-Abwägung sekundär, als Beispiel führt er Neugeborene und geistig Behinderte an [4]. Wer definiert das «Person-Sein»? Lebens­unwertes Leben? China’s Social Credit System 2020: ein totalitäres datengestütztes staat­liches Bonitätssystem?
Da ist für mich der Ansatz von Beat Richner schon überzeugender: der direkte persönliche Einsatz für «seine» kranken Kinder, in stetem Kampf gegen Institutionen und Organisationen, mit direkter persönlicher Geldsuche von immerhin 120 000 Franken pro Tag.