Alte Ärzte ausgebeutet

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/38
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.17140
Bull Med Suisses. 2018;99(38):1275

Publié le 19.09.2018

Alte Ärzte ausgebeutet

Beginnen wir mit den Fakten: Dass es zu wenig Allgemeinärzte gibt, ist unbestritten. Ebenso, dass ein erheblicher Teil vor der Pensionierung steht. Ergo müssten wir dankbar sein für jeden Arzt, der ganz oder teilweise nach der Pensionierung weiterarbeitet. Von Seiten der Gesundheitsdirektion und der Ärztegesellschaft Zürich ist dem nicht so. Man beruft sich auf einen Gesetzesartikel, wonach ein Arzt, unabhängig vom Alter, solange Notfalldienst leisten muss, wie er praktiziert. Also Notfalldienst, bis man in der Praxis zusammenbricht. In welcher geistigen Umnachtung hat man so etwas entworfen?
Seit zwei Jahren, meiner offiziellen Pensionierung, arbeite ich Teilzeit und führe «nur» noch Gespräche. Eine Infrastruktur, die für den Notfalldienst unabdingbar ist, habe ich nicht mehr. Ich könne mich ja dispensieren lassen. Das habe ich inzwischen auch getan. Aber jetzt kommt es faustdick. Wer keinen Dienst mehr leisten kann oder will, bezahlt eine Ersatzabgabe von 5000 Franken pro Jahr. Da werden wir also bestraft, dass wir noch weiterarbeiten. Sämtliche Patienten, mit denen ich gesprochen habe, können nur den Kopf schütteln. Die Zahnärzte, die ebenfalls in den neuen Notfalldienst integriert sind, bezahlen 300 Franken!
Ist das der Dank, dass ich über 30 Jahre Notfalldienst geleistet habe? Notabene Tag und Nacht, nicht wie heute. Ist das der Dank, dass einige Ärzte über die Pensionierung hinaus arbeiten? Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich ein Arzt bei der Pensionierung zweimal überlegt, ob er sich das antut, noch weiterzuarbeiten. Damit ginge der Schuss aber massiv nach hinten los! So ist es schwer, Gedanken an einen zivilen Ungehorsam zu verscheuchen.
Übrigens: Von Thomas Heiniger habe ich nie eine Antwort bekommen. Ich fordere die Befreiung der Ersatzabgabe ab 60 Jahren.