«Me-too»-Akt der SGN?

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/3031
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06897
Bull Med Suisses. 2018;99(3031):977

Publié le 24.07.2018

«Me-too»-Akt der SGN?

Die Initiative «smarter medicine» mahnt uns mit kurzgefassten Empfehlungen daran, Evidenz-basierte Medizin zu praktizieren. Sie ist aber auch ein Eingeständnis, dass wir uns ­offensichtlich nicht an unsere Fachkenntnisse und unsere Richtlinien halten, die wir in ­unseren Weiter- und Fortbildungen stetig übermittelt erhalten. Die «Top-five-Liste» der SGN, welche vor kurzem in dieser Zeitung publiziert wurde, wirft überdies die Frage auf, an wen die Empfehlungen gerichtet sind.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die ersten drei Empfehlungen für Allgemeininternisten – ob in der Hausarztpraxis oder im Spital – gedacht sind. Gibt es tatsächlich Ärzte in der Schweiz, die ohne vorgängige Kommunikation mit dem Patienten eine Dialyse starten würden («Top»-Empfehlung Nr. 1)? Und glaubt die SGN, dass onkologisches Screening bei «asymptomatischen» Patienten (mit und ohne Dialyse) im Alltag des Hausarztes/der Hauärztin nicht ein Dauerthema ist, welches auch in den Fortbildungen über Prostata-, Mamma-, Kolon- und Lungenkrebsscreening stetig besprochen wird («Top»-Empfehlung Nr. 2)? Die «Top»-Empfehlung Nr. 3, NSAR bei Niereninsuffizienz zu vermeiden, wirkt ideen­los und ist zumindest für Allgemeininternisten überflüssig.
Ist die «Top-five-Liste» der SGN vielleicht für die Nephrologen selbst gedacht?
Die einzige plausible Erklärung für die Auswahl dieser Liste ist, dass es sich um einen missglückten «me-too»-Akt der SGN handelt, der von der American Society of Nephrology übernommen wurde, ohne dem Niveau der helvetischen Medizin in der Praxis und im Spital gerecht zu werden.