Fragwürdige Gleichsetzungen

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/24
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06839
Bull Med Suisses. 2018;99(24):796

Publié le 13.06.2018

Fragwürdige Gleichsetzungen

Unter Mithilfe berühmter Philosophen werden wir mit äusserst seltsamen Schlussfolgerungen betreffend unseren medizinischen Alltag und unsere moralischen Vorstellungen konfrontiert. Die Kraft des Eros gälte es hin­überzuretten in die medizinische Tätigkeit – notabene zu einer Zeit, in welcher versucht wird, dieser Kraft ein wenig «Herr» zu werden … Aber das Wichtigere folgt: Schön, ein ­ästhetischer Begriff, wird als das Perfekte, das Harmonische und Verhältnismässige definiert; ein Begriff aber auch, dem Tapferkeit (?), das (moralisch?) Gute und ethisch Richtige zu­geordnet wird. Und dann das Entsetzliche, ­ungebremst, unhinterfragt, ohne Bewusstsein dafür, dass diese Gleichungen von schön und gut, von krank und schlecht viel zu den (nicht so fernen und mit Hilfe einer vom Weg abgekommenen Medizin) Tötungen von Millionen von Menschen beigetragen haben. Ja, da kommt es wieder (taucht neu und erstarkt auf aus braunem Morast), das Garstige: Gesundheit stehe, heisst es, zweifelsohne (???) dem Guten nahe, dem Richtigen. Eben: Es sind nur die ­Gesunden die Guten. Es müsse unser überall aufzusuchendes Ziel sein, den Guten zur ­Gesundheit zu verhelfen, denn Gesundsein heisst eben Gutsein. Wo, wo haben da die Versehrten, die Gestörten, die Chroniker ihren Platz? Sie passen nicht in die Welt der Richtigen, denn sie sind schlecht, hässlich, falsch. Entsorgen wir sie doch, entledigen wir uns von ihnen! Nichts spricht dagegen.