Neue Modelle können ohne Qualitätseinbusse funktionieren

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/21
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06765
Bull Med Suisses. 2018;99(21):655

Publié le 23.05.2018

Neue Modelle können ohne Qualitätseinbusse funktionieren

Sehr geehrter Herr Kollege Marti
Zuerst mit grossem Interesse (aufgrund des Titels), danach mit grosser Enttäuschung habe ich Ihren Brief in der letzten SÄZ gelesen. Sie beginnen mit Gründen der zunehmenden Teilzeitarbeit bei jungen Ärzten/-innen und enden mit der Abnahme der sog. «selbständigen Ärzte». Das eine hat aus meiner Sicht mit dem anderen nichts zu tun. Zum Thema Selbständigkeit zitiere ich gerne unseren FMH-Präsidenten Jürg Schlup: Ein Arzt ist aus seiner Sicht selbständig, wenn er seine Entscheide / sein medizinisches Handeln frei und ohne Vorgaben gestalten kann, ob er nun angestellt ist oder nicht. Ich denke, zur Sicherstellung der Grundversorgung müssen wir wegkommen vom alten, «verkrusteten» Denken, dass ein Arzt in der Praxis «finanziell» selbständig sein muss und alle Gruppenpraxen oder medizinische Zentren, welche nicht mehrheitlich in ärztlicher Hand sind, von gewissen Kollegen nicht zu den Grundversorgern gezählt werden und die dort arbeitenden Ärzte oft auch in Hausarzt-Qualitätszirkeln nicht willkommen sind.
Teilzeitpensen sind heute mit der Veränderung des Rollenbildes von Mann und Frau, der Aufteilung bei der Erziehung der Kinder, Work-Life-Balance etc. eher die Regel als die Ausnahme geworden. Nun sollte man aus meiner Sicht schauen, wie man dieser Realität be­gegnet, statt «alten Modellen» nachzutrauern. In vielen Praxen und Spitälern wurden unterdessen sehr gute Lösungen gefunden, damit die Qualität in der Patientenbetreuung stimmt. Eine elektronische Kranken­geschichte mit KG-Einträgen gemäss SOAP-Kriterien, eine aktuelle Diagnosenliste sowie eine sauber geführte Medikamentenliste sind nur ein paar organisatorische Beispiele, welche bei Teilzeitarbeit ein «Muss» sind. Wenn zusätzlich noch Zeit für den Austausch reserviert wird, funktioniert eine Praxis mit Teilzeitangestellten aus meiner Sicht ohne Qua­litätseinbusse. 
Zum Schluss möchte ich an alle Kollegen/­
­-innen der Grundversorgung appellieren, die Zukunft der Grundversorgung zusammen zu gestalten, ob selbständig erwerbend oder angestellt, ob alleine, in einer Gruppenpraxis oder in einem medizinischen Zentrum. Wir ziehen alle am gleichen Strick.