Courrier / Communications
Es wäre fahrlässig, die Flinte bzw. das Stethoskop ins Korn zu werfen
Es wäre fahrlässig, die Flinte bzw. das Stethoskop ins Korn zu werfen
Brief zu: Osterwalder A. Stethoskop – Museumsstück. Schweiz Ärztezeitung. 2018;99(15):477–8.
Es wäre wohl fahrlässig, die Flinte bzw. das Stethoskop ins Korn zu werfen. Es gibt immer noch gute Gründe, eines bei sich zu haben, selbst im Spital.
– Angenommen das CT steigt in der Nacht aus und kann nicht umgehend repariert werden: Das Stethoskop kann zur Diagnose «Peritonismus» plötzlich sehr nützlich sein.
– Das anamnestische Gespräch, die Palpation und Auskultation begünstigen die Bildung des Beziehungshormons Oxytocin, das dämpfend auf die Amygdala wirkt, wodurch sich Stress und Angst verringern. Eine gewiss nicht unerhebliche Nebenwirkung.
– Besagte Trias (Gespräch, Palpation und Auskultation) stellt ein vertrautes ärztliches Ritual dar, das als Plazebo (über eine Endorphinausschüttung) zu einer Schmerzlinderung führt. Auch dieser Effekt darf sich sehen lassen.
– Was ich schliesslich als Unterassistent vor bald 40 Jahren gelernt habe: Die Auskultation gibt der Ärztin oder dem Arzt überdies entscheidende 10 bis 15 Sekunden Zeit, um über die Differentialdiagnose, Abklärungsmodalitäten und mögliche Therapien nachzudenken. Mehr noch: wertvollste Sekunden, die uns auch gestatten, auf unsere Intuition und unser Körpergefühl zu achten, was für die Entscheidungsfindung von erheblicher Bedeutung sein kann.
Fazit: So segensreich die Technik auch sein mag – den menschlichen Kontakt kann sie nicht verdrängen, und hierzu gehört u.U. nun mal auch das Stethoskop.
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