Stethoskop - Museumsstück

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/15
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06642
Bull Med Suisses. 2018;99(15):477-478

Publié le 11.04.2018

Stethoskop – Museumsstück

Die Reflexionen von Eberhard Wolff über das Stethoskop als sich wandelndes Symbol erinnerten mich an eine Episode, die ich in einem grossen Kantonsspital selber erleben musste. Meine Frau war auf der dortigen Neurochirurgie wegen einer akuten Spondylodiszitis hospitalisiert.
Als pensionierter Chirurg habe ich mich über dieses Krankheitsbild etwas «upgedated» und dabei erfahren, dass der gefundene Streptococcus viridans seinen Ursprung meist im Respirationstrakt hat. Auch dass er oft eine Endokarditis mit Klappenschäden verursacht. Zu meiner Verwunderung wollte nie ein Arzt Lungen und Herz auskultieren (hingegen wurde zweimal eine transösophageale Echokardiographie vorgenommen). Täglich erschien der Assistenzarzt mit seinem Laptop. Ich erbat von ihm das Stethoskop. Er hatte KEINES! Ich musste mir von diesem jungen «Profi» sagen lassen, dass dieses Symbol ärztlichen Wirkens heute ins Museum gehöre – wie ich wahrscheinlich auch.
Das Bild der vertechnisierten Medizin wurde noch vervollständigt, als meine Frau nach der Kolonoskopie (indiziert nach einer durch die Antikoagulation verursachten Meläna) in der folgenden Nacht durch Meteorismus an starken Bauchkrämpfen litt. Der gerufenen Assistenzarzt legte weder Hand an sie (ich habe noch gelernt, dass die Diagnose Peri­tonismus durch die Bauchpalpation und -auskultation – Défense, Loslassschmerz, Klopfdolenz, Darmgeräusche – relativ einfach diagnostiziert werden kann), noch erhob er eine spezifische Anamnese. Er telefonierte sofort dem diensthabenden Chirurgen, der direkt via Telefon ein CT verlangte. Als ich dann, einmal alarmiert, ein meteoristisches Abdomen ohne jeglichen Peritonismus vorfand und empört eine klinische Visite vom Chirurgen forderte, bestätigte dieser meinen Befund. Mit der ­Bemerkung «Übernehmen Sie die Verantwortung für Ihre Frau, wenn es sich um eine ­retroperitonale Kolonperforation handelt?» setzte er mich schachmatt. Das CT (Strahlenbelastung!) hat dann erwartungs­gemäss keinen pathologischen Befund gezeigt. Ende gut, alles gut, als meine Frau nach drei Wochen, erfolgreich und gut operiert, nach Hause durfte und ich aufgrund aller, hier nicht noch einmal aufgezählten Stressmomente knapp am Herzinfarkt vorbeigeschrammt war!