Neue Richtlinien der SAMW zur Sterbehilfe

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/1314
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06626
Bull Med Suisses. 2018;99(1314):433

Publié le 28.03.2018

Neue Richtlinien der SAMW zur Sterbehilfe

In ihrer Stellungnahme betreffend vorgeschlagener Revision der SAMW-Richtlinien für Sterbehilfe [1] kritisiert die FMH [2] das Kriterium des unerträglichen Leidens und das Fehlen des Kriteriums der tödlichen Krankheit.
Ich habe Mühe mit der Forderung der FMH, dass Sterbehilfe nur bei einer tödlichen Krankheit zulässig sein soll. Sie diskriminiert Personen mit Sterbewunsch, die nicht an ­einer solchen Krankheit leiden. So gibt es viele Krankheiten, die zwar massives Leiden verursachen, aber weder zum Tode führen, noch ausreichend palliativmedizinisch behandelt werden können. Zudem ist der Begriff «tödliche Krankheit» mit einer noch viel grös­seren Unschärfe verbunden als «unerträgliches Leiden» und wird uns behandelnde Ärzte bei der Betreuung von Patienten mit Sterbewunsch mit einer sehr grossen Rechtsunsicherheit belasten. Ist zum Beispiel Diabetes eine tödliche Krankheit? Oder Parkinson? Alzheimer? Morbide Adipositas? Oder wie entscheiden bei Polymorbidität? Ein so schlecht definiertes und diskriminierendes Kriterium hat die SAMW aus gutem Grund nicht aufgenommen.
Ebenso kritisiert wird das Kriterium des unerträglichen Leidens: Es sei unbestimmt und mit grosser Unsicherheit behaftet, weil es von der Einschätzung des Patienten abhänge. Es zeigt sich exemplarisch, dass es bei dieser Diskussion auch um die Deutungshoheit der Frage geht, wie viel Leiden zumutbar ist und wer diese Frage beantworten darf. Dabei geht es neben der Ethik auch um Macht und Geld. Aber wer könnte besser beurteilen, ob das ­Leiden noch erträglich ist, als die leidende Person selber? Ist Leiden mehr subjektiv oder objektiv? Die Ärzteschaft ist bemüht um eine patientenzentrierte Medizin. Es sollte hier keine Ausnahme gemacht werden. Zudem kann das Ausmass des Leidens mit empathischem Einfühlungsvermögen ärztlicherseits durchaus recht gut abgeschätzt und allenfalls nachvollzogen werden.
2011 sprachen sich im Kanton Zürich 84,5% gegen ein Verbot der Sterbehilfe aus. Eine einseitig paternalistische Haltung, wie sie neben konservativen kirchlichen Kreisen nun auch die FMH vertritt, lässt sich nach meinem Empfinden weder demokratisch noch ethisch rechtfertigen. Patienten sollten durch uns Ärzte nicht verwaltet, sondern begleitet werden.
Ich schätze es sehr, dass die SAMW bei der Ausarbeitung ihrer Richtlinien für Sterbehilfe differenzierte Kriterien formuliert, die uns behandelnden Ärzten ethische Sicherheit geben bei der Begleitung von Schwerkranken mit Sterbewunsch. Sie sind vernünftig, juristisch durchdacht, ausgewogen, ethisch und demokratisch gut abgestützt und sie entsprechen der jahrzentelangen bewährten Praxis in der Schweiz. Auch dass die Angehörigen in den Prozess der Freitodbegleitung einbezogen werden müssen ist für mich eine obligate Voraussetzung, und ich begrüsse es, dass dies die SAMW nun auch in ihren Richtlinien festhalten will.
Nun hoffe ich, dass sich die Ärztekammer nicht gegen ihre eigene Ethikorganisation und das Selbstbestimmungsrecht unserer ­Patienten wendet und die Richtlinien der SAMW in der vorgeschlagenen Form übernimmt.