Durch Patienten selbst verursachte Kosten – nicht bei Übergewicht!

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06581
Bull Med Suisses. 2018;99(11):341

Publié le 14.03.2018

Durch Patienten selbst verursachte Kosten – nicht bei Übergewicht!

Brief zu: Kühni M. Durch Patienten selbst verursachte Kosten. Schweiz Ärztezeitung. 2018;99(5):141–2.
Sehr geehrter Herr Kollege Kühni
Bezugnehmend auf Ihre am 31.1.2018 veröffentlichten Anregungen zu Einsparungen im schweizerischen Gesundheitswesen an Kosten, die durch den Patienten selbst verursacht werden, ist Ihnen in einem Punkt klar zu ­widersprechen:
Bei Adipositas/Übergewicht sollen die Pa­tien­ten alle 2 Jahre gewogen werden und es sei dementsprechend ihre Prämie der Krankenkasse zu berechnen.
Dafür gibt es aus wissenschaftlicher Sicht keine sachliche Grundlage: der Energiestoffwechsel des Menschen ist genetisch de­terminiert, Wissenschaftler haben genug Grundlagen und Studien dazu geliefert, dass Übergewicht durch eine ungünstige «obesogene» Umwelt mitbedingt ist (s. Tim Lobstein 2004). So ist es heuchlerisch, einerseits zu wissen, dass fette und süsse Nahrungsmittel ein Suchtverhalten auslösen, aber dennoch Fettes, Süsses und industriell verarbeitetes Essen anzubieten und dann an die Mündigkeit des Schweizer Bürgers zu appellieren! Aus der Geschichte wissen wir, dass die Adipositas-Epidemie kein individuelles Versagen ist, ­sondern Ausdruck einer gesellschaftlichen Entwicklung (Früher gab es keine Adipositas-Epidemie!), in der zum Glück die Schweiz noch eine relativ gute Position innehält.
Es macht keinen Sinn, die Betroffenen weiter zu stigmatisieren! Ich möchte also anregen, dass wir die obesogenen Umweltfaktoren senken, z.B. durch mehr Schulsport und För­de­rung von günstiger Nahrung und Stress­reduktion. Jeder Bürger hat ein Recht auf angemessene Behandlung seiner Krankheiten, zu denen die Adipositas zählt.