Während in Schopenhauers Philosophie Erotik und Ethik sich unversöhnlich gegenüberstehen und diese sich für Kierkegaard nur dank einer existentiellen Entscheidung vereinbaren lassen, erscheint in Platos (ca. 425–348 v. Chr.) berühmtem «Symposion» der Eros gar als Schlüsselfigur zu wahrem Wissen um das Gute und Richtige. Er wird da als eine Art von dämonischem Mangelwesen beschrieben, das in bedürftiger Unruhe allgemein nach Zuneigung und Schönheit Ausschau hält. Als Protagonist der sprichwörtlichen platonischen Liebe – die entgegen landläufiger Vorurteile die Körperlichkeit durchaus einschliesst – strebt Eros dabei vom sinnlich Fassbaren zu stets Abstrakterem und Höherem. So kann derjenige, der sich von ihm beflügeln lässt, imstande sein, über die physische Anmut hinaus in erweiterten Bereichen ästhetisch ansprechende Elemente zu sehen: etwa in der menschlichen Seele, in echter Freundschaft, im Staat oder im eigenen Beruf. Ziel dieser Blicksafari durch alle Erscheinungsweisen der Schönheit ist die Ansicht dieser Letzteren selbst, so wie sie, als unvergängliche Idee, an und für sich ist. Dies lässt sich nur im Rahmen von Platos Metaphysik verstehen. Die Welt der Ideen ist für ihn die Herberge der zeitlos gültigen, wahren Grundinhalte aller irdischen, dem steten Wechsel unterworfenen Erscheinungen. So ruhen in dieser Schatztruhe, um nur einige Beispiele zu nennen, analog zur Idee der Schönheit, eben auch die der Tapferkeit, der Gesundheit oder der Gerechtigkeit, deren Abbilder sich in der uns erscheinenden Welt jeweils mehr oder weniger deutlich auffinden lassen. Der Zugang zur wahren Natur der Ideen bleibt unseren fünf Sinnen aber normalerweise verwehrt und ist nach Plato allein dem philosophischen Denken vorbehalten. Zur Idee des absolut Schönen vermag aber, wie vorher beschrieben, auch der gewöhnliche Sterbliche – Eros sei Dank – mit seinen visuellen Fähigkeiten vorzustossen. Hans-Georg Gadamer (1900–2002) hat dies mit folgendem Satz auf den Punkt gebracht: «Schönheit ist in der Seinsweise des Lichts.» Das heisst mit anderen Worten: Ihr innerstes Wesen ist erkennbares Leuchten. Und da für Plato die Schönheit, als Ausdruck von Verhältnismässigkeit, Harmonie und Perfektion, auch mit dem effektiv Guten zusammenhängt, kann die Begegnung mit der Idee des Schönen uns auch als Anleitung dienen, ethisch richtig zu handeln.