Medizinische Anwendung von Cannabis: Evidenz statt Vorurteile!

Briefe / Mitteilungen
Édition
2018/11
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06542
Bull Med Suisses. 2018;99(11):340-341

Publié le 14.03.2018

Medizinische Anwendung von Cannabis: Evidenz statt Vorurteile!

Die administrativen Hürden für die medizinische Anwendung von Cannabis sind gemessen am Nutzen-Risiko-Profil anderer Substanzen (Opiate, Benzodiazepine) unverhältnis-
mässig hoch. Ausserdem ist der Patient betreffend Kostenübernahme der Willkür der Krankenkassen ausgeliefert, mit teilweise gravierenden Folgen. 
Eine hochbetagte Patientin litt an ausser­ordentlich starken chronischen Schmerzen, welche auf verschiedene Analgetika ungenügend angesprochen hatten. Sie erlebte eine eindrückliche Verbesserung der Schmerzen und Lebensqualität durch Cannabis-Tropfen («zum ersten Mal seit Jahren fühle ich mich wieder wie ein Mensch»). Leider wurde die Kostengutsprache nicht verlängert. Dies trotz Therapiekosten, die deutlich geringer waren als die Kosten von z.B. Targin oder Palexia, so dass die Therapie eindeutig wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich war. Zermürbt durch die quälenden Schmerzen und den Kampf um die Kostenübernahme, hat sich die Patientin mit einer Überdosis von Medikamenten das Leben genommen. 
Eine vom Bundesamt für Gesundheit finanzierte Metastudie hat eine gute Wirkung insbesondere bei chronischen oder bei durch Krebs verursachten Schmerzen, sowie bei MS-bedingter Spastik belegt. Auch bei Übelkeit als Nebenwirkung einer Chemotherapie, bei Gewichtsverlust von Aidskranken, bei Schlafstörungen sowie dem Tourette-Syndrom zeigten sich positive Auswirkungen [1]. Die Nebenwirkungen werden meist gut toleriert.
Es ist höchste Zeit, dass die administrativen Hürden sowie die Politik der Kostenübernahme der Evidenz angepasst werden, und dass wir verschreibenden Ärzte die Indikation gemäss wissenschaftlichen Kriterien stellen, anstatt diese therapeutische Option aufgrund von Vorurteilen unseren Patienten vorzuenthalten.
Sachs et al. schrieben treffend [2]: «The side ­effects of conventional medications are weight­ed against the potential benefits, but this same logic is rarely applied to discussions of medical cannabis . . . Given these findings one option for the future direction of research on cannabis is to approach cannabis as a le­git­i­mate therapeutic agent. This would include reclassification, as well as more stringent and uniform supervision of its use and dis­tri­bu­tion in a safe, ethically, and scientifically jus­ti­fied manner.»
Dr. med. Maja Strasser, 
Fachärztin Neurologie, Solothurn