Vielschichtig, umfassend und auf die klinische Arbeit des Psychotherapeuten fokussiert

Kranker Körper – kranke Seele

Horizonte
Édition
2018/1314
DOI:
https://doi.org/10.4414/bms.2018.06425
Bull Med Suisses. 2018;99(1314):454-455

Affiliations
Prof., Chefarzt, Service de Psychiatrie de Liaison, Centre Hospitalier Universitaire Lausanne

Publié le 28.03.2018

Wolfgang Söllners Buch «Kranker Körper – kranke Seele» handelt von der Psychotherapie körperlich Kranker. Ein Kapitel ist mit Elisabeth Wentzlaff und Susanne Gutberlet als Ko-Autorinnen gezeichnet, das Kapitel zum unheilbaren und sterbenden Patienten wurde durch Kurt Fritzsche und Ines Campagnolo verfasst. Das Buch ist sehr vielschichtig aufgebaut, umfassend in der Darstellung der behandelten Themen, didaktisch vielfältig konzipiert und sehr praktisch an der täglichen Praxis orientiert.
Wolfgang Söllner (Hrsg.)
Kranker Körper – kranke Seele
Psychotherapie mit körperlich Kranken
Heidelberg: Springer Verlag; 2018.
149 Seiten. 52.50 CHF.
Vielschichtig, weil einerseits die psychodynamisch orientierte Psychotherapie körperlich Kranker einge­hend besprochen wird – deren Eigenheiten, Bedeu­tung, Möglichkeiten und Grenzen – und gleichzeitig auch die systemischen und kognitiv-verhaltenstherapeutischen Ansätze sowie auch die grundlegenden unspezifischen Wirkfaktoren der Psychotherapie und die Grundlagen der therapeutischen Gesprächsführung behandelt werden. Die Darstellung der psychotherapeutischen Praxis mit körperlich Kranken wird somit disziplinär verankert und gleichzeitig mit vielen Hinweisen auf anthropologische oder existentielle und philosophische Sichtweisen ergänzt, welche für die ­Arbeit des Psychosomatikers und Konsiliar- und ­Liaisonpsychotherapeuten von Bedeutung sind.

Bislang vernachlässigte Themen
werden diskutiert

Das Buch ist umfassend aufgrund der behandelten Themen – Kranksein und Herausforderungen des Krankseins, Leitaffekte bei körperlich Kranken, Indi­kationen zur Psychotherapie, Setting, therapeutische Beziehung, Technik, Kurztherapien – und weil auch Themen diskutiert werden, die nach wie vor vernachlässigt werden, wie beispielsweise das Beenden der Therapie, Gegenübertragung oder die Frage der Kompetenzen und Bedürfnisse der Psychotherapeuten. Und es ist auch umfassend aufgrund der soliden theoretischen und wissenschaftlichen Einbettung dieser Themen, wobei immer wieder auch die historische Perspektive aufgezeigt wird und somit die konzeptuellen Ansät­ze in einen grösseren Zusammenhang gestellt werden.
Didaktisch lebt das Buch von den vielen Fallbeispielen, die kommentiert und in nachfolgenden Kapiteln wieder aufgenommen werden, so dass sie den Leser bis ans Ende des Buches begleiten. Definitionen werden separat aufgeführt und erleichtern die Lektüre, ebenso die in Tabellen oder Abbildungen aufgeführten Zusammenfassungen klinischer Daten oder wissenschaftlicher Untersuchungen. Die wichtigsten Elemente eines Kapitels sind hervorgehoben und mit Zitaten aus verschiedensten Quellen ergänzt.

Fokus auf der klinischen Arbeit

Trotz der Vielschichtigkeit und der umfassenden Darstellung der Themen bleibt der Leser fokussiert auf die klinische Arbeit des Psychotherapeuten. Und dies ist das ganz Spezielle an diesem Buch und das Verdienst von Wolfgang Söllner und seiner Mitautoren; sie erscheinen zwischen den Zeilen als erfahrene Kliniker, die sich kritisch mit dem Thema der Psychotherapie körperlich Kranker auseinandersetzen, als Psychotherapeuten, die solide in der psychoanalytischen Theorie verankert sind und die deren Bedeutung für die alltägliche Klinik darzustellen wissen. Dabei haben sie keine Berührungsängste mit anderen Therapieansätzen und verschiedenen kreativen, nicht-verbalen psychotherapeutischen Zugängen, erkennen die Grenzen des psychologischen Verständnisses des Krankseins und sind offen für den Einbezug der Sozial- und Geisteswissenschaften, um Kranksein und den kranken Menschen zu verstehen.
Wolfgang Söllner zeigt sich als Kliniker und Psychotherapeut, der auch klar Stellung bezieht, beispielsweise in Bezug auf seines Erachtens unhaltbare therapeutische Haltungen gegenüber körperlich Leidenden, und der sich nicht davor scheut, eigene Grenzen, Ängste und selbst biographische Elemente mitzuteilen, wenn dies dem Verständnis des geschilderten Fallbeispiels dient. Mit anderen Worten: Dieses Buch beruht auf der 40-jährigen Erfahrung eines Psychotherapeuten, der sich im somatischen Universum bewegt, eines pas­sionierten Psychosomatikers und Akademikers, der sich den wissenschaftlichen Anforderungen dieser Disziplin stellt, eines systemisch denkenden Klinikleiters und vor allem eines Menschen, der mit Respekt und Behutsamkeit sich dem kranken Mitmenschen zuwendet.

Fazit

Geschrieben für Spezialisten der Psychosomatik und Konsiliar- und Liaisonpsychiatrie und interessierte Kliniker in der ambulanten und stationären Somatik sowie Psychotherapeuten in der Praxis, schliesst dieses Buch zur Psychotherapie körperlich Kranker eine Lücke.
Prof. Friedrich Stiefel
Chef de Service
Service de Psychiatrie de Liaison – CHUV
Les Allières
Av. de Beaumont 23
CH-1011 Lausanne
Tél. 021 314 10 90
Fax 021 314 10 86
frederic.stiefel[at]chuv.ch