Aristoteles beschreibt eine völlig andere Art von Gottheit, die im Gegensatz zu Platos Demiurgen keinen direkten Einfluss auf die Welt nimmt. Sie kümmert sich nicht um das, was in der Letzteren geschieht, oder wie in den grossen Weltreligionen um das Schicksal oder gar das Seelenheil des Menschen. Die Struktur des Irdischen wird nicht mehr als göttliches Design verstanden, sondern als Folge verschiedener Ursachen des Zusammenfindens von Materie und Form, aus deren Verbindung alles Gegenständliche geschaffen wird. So könnte man, am Beispiel einer in der Apotheke zubereiteten Magistralrezeptur, die aktive Substanz und die Grundlage als materielle und die Verschreibung des Arztes als formale Ursache des Heilmittels ansehen. Des Weitern beschreibt Aristoteles auch eine Wirkursache, also in unserem Fall die konkrete Leistung des Apothekers, der die Verbindung der Materialien nach Vorschrift effektiv zustande bringt. Und schlussendlich soll das fertiggestellte Produkt zur Linderung von Krankheitssymptomen dienen und so seinem spezifischen Zweck gerecht werden. Dieser Wunsch nach Verwirklichung der eigenen Sinnhaftigkeit liegt als potentielle Kraft in der inneren Natur aller Dinge, und Aristoteles erkennt in ihr neben Materie, Form und Wirkung die vierte Ursache alles Weltlichen. Derartig verstandene Zweckmässigkeit kommt aber nicht nur dem Einzelnen zu, sondern erfasst einheitlich alles Geschaffene, und das Streben nach einem Gesamt- oder Endsinn wird so zum letztursächlichen Motor allen Entstehens und Vergehens. In diesem Zusammenhang findet Aristoteles seinen Gott, der als Ziel aller individueller sinnvoller Verwirklichung die Welt bewegt, so ähnlich wie Eros die Liebenden, ohne selber direkt in die einzelnen Geschehnisse einzugreifen. Dieses umfassende philosophische System lässt sich mit etwas Phantasie gut auf die Gesundheitsmaschinerie anwenden, die jeden Morgen mit neuer Kraft in Gang gesetzt wird. Die Patienten und ihre Krankheiten kann man durchaus als ihre materielle und das medizinische Wissen mit seinen Algorithmen als ihre formale Ursache bezeichnen. Die verschiedenen Akteure bewirken die erbrachten Leistungen, und die Gesundheit ist der angestrebte Sinn und letzte Grund aller medizinisch-technischen Aktivität. Der Gott von Aristoteles ist an sich weder gut noch böse, er ist das Endziel, auf das sich alles, seiner eigenen Natur nach, sinnvoll ausrichtet, und so treten in diesem Zusammenhang auch keine moralischen Fragen auf. Dies trifft für die Heilkunde mit ihrer Gottgestalt Gesundheit leider nicht immer zu, können doch einzelne Medizinalpersonen, sowie auch ganze Branchen, diese durchaus zeitweilig aus den Augen verlieren. Man denke an die immer gewagteren chirurgischen Eingriffe, selbst noch im hohen Alter, und an mannigfache onkologische Behandlungen mit fragwürdigem Verhältnis zwischen Nutzen und Risiko. Richtig problematisch wird die Situation aber dann, wenn die Gesundheit zugunsten eines Strebens nach Gewinn endgültig in den Hintergrund tritt, der Ersatzgott Mammon als Sinn und Ziel des ganzen medizinisch-technischen Karussells auftritt und dieses zum biblischen Tanz ums goldene Kalb verkommen lässt.